700 Sterne funkeln über meinem Kopf. Ich habe sie nicht gezählt, die St.Galler dagegen wohl schon. Jedes Jahr im Dezember taucht hier eine besonders stimmungsvolle Weihnachtsbeleuchtung die kleinen Gassen und Plätze der kleinen Schweizer Bergstadt in schimmerndes Licht. „Sternenstadt St.Gallen“ – ja, der Name passt. Beim Spaziergang über mittelalterliches Kopfsteinpflaster, vorbei an prunkvollen Erkerhäusern, fühlt man sich in alte Zeiten zurückversetzt, als in der Stadt noch die Leinenindustrie blühte und für Wohlstand sorgte. Das bezeugen auch die imposante Kathedrale, die mit barocken Stuckverzierungen und einzigartigen Deckengemälden protzt, und die Stiftsbibliothek, in der sich rund 170 000 Manuskripte und Handschriften befinden und die als UNESCO-Weltkulturerbe zu den weltweit schönsten Bibliotheksbauten gezählt wird.
Mich aber führt an diesem Tag etwas ganz anderes nach St.Gallen. Ich warte auf einen Mann. Aber nicht auf irgendeinen, sondern auf einen etwas dicklichen, älteren Herren, mit weißem Bart und roter Mütze. Heute ist der 6. Dezember, in St.Gallen heißt das: Zeit für den traditionellen Chlausritt! Ich stehe am Multertor, wo gleich Samichlaus – wie der Nikolaus hier in der Schweiz genannt wird – seine alljährliche Tour durch die Altstadt starten soll. Neben mir Kinder, vor mir Kinder, überall aufgeregte Kinder. Das steckt an, denn für den Weihnachtsmann ist man ja nie wirklich zu alt, oder? Als Samichlaus um die Ecke biegt, tut er das dann nicht alleine, sondern gleich in vielfacher Ausführung, mal auf dem Pferd, mal zu Fuß, mal in der Kutsche, mal ein Pony an der Leine führend, in Begleitung von wuselnden Sternchen und Engelchen. Welcher ist denn nun der richtige? Egal, die Kinder scheint das auch nicht zu interessieren, solange sie eine Leckerei aus den zahlreichen Chlaus-Sackerln abstauben können. Seinen strengen Freund mit der Rute, den Schmutzli (unseren Knecht Ruprecht) zähle ich hingegen nur einmal, aber das ist ja auch besser so…
Die ganze Aufregung macht hungrig und im Restaurant NAZ erwartet mich eine weitere Schweizer Tradition: ein Bierfondue. Anstelle von Wein kommt hier – wie der Name schon sagt – Bier in den Käse. Das Bier im NAZ stammt aus dem nahen Dorf Roggwil, wo es in der Brauerei huus-braui gebraut wird und dem Fondue schließlich seine fluffig Sämigkeit verleiht. Ein bisschen Speck und leckere Pilze runden den Geschmack noch ab. Zum Fondue gibt es knuspriges Weißbrot, das den Käse wunderbar aufsaugt und wovon ich dann gar nicht genug bekommen kann. Der urige Gasthof ist eines der beliebtesten Stammtischlokale St.Gallens. Auf den Tischen haben sich die Teilnehmer, inklusive ihrer teilweise sehr amüsanten Spitznamen, verewigt. So schlemme ich mein Bierfondue mit Don Promillo, dem Gummibier und Rakete, bis ich mir schließlich eingestehen muss, dass irgendwann kein Platz mehr in meinem Bauch ist. Inzwischen sind zu den 700 Sternen der Weihnachtsbeleuchtung auch unzählige weitere am Himmel hinzugekommen, und es heißt Abschied nehmen von dem weihnachtlich-festlichen Glanz der Sternenstadt St.Gallen. Die ganze Geschichte zu meiner Bodenseereise lest ihr auf www.lilies-diary.com.