Auf meiner Tour rund um den Bodensee will ich der Bierkultur in der Vierländerregion auf die Spur kommen und Brauereien, Handwerk, Kultur und vielfältige Biersorten kennen lernen. Und natürlich auch einige Biergesichter, sprich Menschen, die mit ihrem Leben für das Thema stehen. Als ich in Bad Waldsee bei Hymer ein Wohnmobil ausleihe, weiß ich noch wenig von der Bedeutung und Qualität, die das Brauhandwerk und die Bierkultur rund um den Bodensee entfalten. Die Voraussetzungen stimmen jedoch: unabhängig kann ich den Bodensee umrunden und spontan meine Genussziele ansteuern. Und ein Bett an Bord sorgt für die Einhaltung einer genussfördernden Regel: „Don’t drink an drive!“. Vier Stationen meiner Reise will ich hier vorstellen:
Tettnang: Weltzentrum der Bierkultur
Nicht nur die internationale, sondern sogar die weltweite Bedeutung von Bier am Bodensee lerne ich in Tettnang kennen. Hier hat der Boden die eher seltene Beschaffenheit, damit das „grüne Gold“ gedeihen kann. Rund um Tettnang hat sich in den vergangenen 170 Jahren eine vielschichtige Hopfen-, Brau- und Bierkultur entwickelt, die man vor Ort erleben kann und die Brauer aus der ganzen Welt anzieht. Zwischen Ende August und Anfang Oktober kann man die Hopfenernte im Hopfengut No20 mitverfolgen. Während eines Besuchs im Hopfenmuseum werden dann die Hopfenpflanzen an der Darre angeliefert, die frischen Dolden gezupft und getrocknet. Durch die Nähe der hauseigenen Brauerei wird eine einmalige Sorte möglich, bei der die warmen Hopfendolden direkt in den Sudkessel gegeben werden und die ganze Frische des Hopfenaromas entfalten können. Diese „Heiße Ernte“ kann man von Ende September bis zum Advent genießen.
Der Tettnanger Hopfenpfad verbindet nicht nur die drei Tettnanger Brauereien Schöre, Hopfengut und Kronenbrauerei, sondern ist auch ein ganzjähriger Lehrpfad zum Thema Hopfenanbau. Mit 8km Länge ein idealer Ort, um überflüssige Kalorien wegzulaufen. Alle zwei Jahre – immer am ersten Sonntag im August – findet hier der Hopfenwandertag statt. Ca. 15.000 Besucher wandern dann zwischen Innenstadt und Hopfengut und genießen an verschiedenen Stationen unzählige Biersorten und Musik mitten in den Hopfenfeldern.
Tettnang ist aber das ganze Jahr über ein Bier-Hotspot. Vor der Ernte kann man auf dem Hopfengut auf einem Steg das obere Ende der Hopfenpflanzen bewundern. In Tettnang ist der Hopfenanbau mit der Hopfensau zum Bierbrauchtum gereift. Die Hopfensau ist eine der Hauptfiguren der Tettnanger Fasnet. Traditionell wurde diejenige Erntehelferin gekürt, welche die letzte Dolde eines Erntejahres abschneidet. Auf den Narrentreffen zwischen Dreikönig und Aschermittwoch kann man die Hopfensau treffen.
Stellplatztipps: In Innenstadtnähe gibt es in Tettnang einen Stellplatz an der Loretostraße. Ohne Versorgung kann man auf dem Parkplatz am Hopfengut eine Nacht frei stehen.
Konstanz: In der Konzilsstadt braut sich immer was zusammen
Am anderen Ende des Bodensees - in Konstanz - suche ich nach weiteren Bierspuren zwischen den Legenden und der Geschichte dieser einmaligen Stadt mit der einzigen Papstwahl nördlich der Alpen. Nicht ganz einfach, denn Wein ist hier das prägendere Getränk. Dennoch gibt es auf dem Stadtgebiet einige besondere Bier-Orte. In der Niederburg lerne ich das Brauhaus Albrecht kennen, in Staad ist die Brauerei Ruppaner. Ruppaner ist eine traditionelle Familienbrauerei und spielt zwei Besonderheiten aus. „Wir sind die einzige Bodensee-Brauerei mit eigenem Ufer und Seeblick“, erklärt Inhaber Karl-Bernhard Ruppaner. Die zweite Besonderheit zeigt mir Dirk Höchsmann. Der Braumeister führt mich an die weit und breit älteste Schrotmaschine, mit der bis heute Malz für den Brauansatz in der Maische zerkleinert wird. Auch habe ich Gelegenheit, einige Sorten zu probieren. Neben dem „1414“, das eigens für das Konszilsjubiläum in Konstanz kreiert wurde, überrascht mich angenehm das Bodensee-Pils.
Stellplatztipps: Auf dem Döbele steht man direkt in der Innenstadt. Wer die Wiege des Eco-Camping kennen lernen will, geht am besten auf den Campingplatz am Klausenhorn in KN-Dingelsdorf.
St. Gallen: Älteste Zeugnisse über Bier
Meine Reise führt mich weiter in die Schweiz und damit an die Ursprünge des Bieres in der Bodensee-Region. Nach dem aktuellen Forschungsstand sind die ältesten schriftlichen Überlieferungen zum Bier etwa 5000 Jahre alt. Vermutlich wurde es zufällig entdeckt, als altes Brot zu gären begann. Auch die Bodensee-Region ist in Sachen Bier von einzigartiger Bedeutung. Mit der Christianisierung durch iro-schottische Wandermönche im 7. Jahrhundert wurde zunächst eine Einsiedelei durch den heiligen Gallus gegründet, aus dem später Kloster und Stadt Sankt Gallen entstanden. Das ehrwürdige Stift mit seiner Bibliothek und dem Archiv ist bis heute Heimat der ältesten schriftlichen Zeugnisse in Europa seit Beginn des Mittelalters. Die bis dato älteste Urkunde zum Bier stammt aus dem Jahr 754. Sie regelte die Anlieferung von Braugerste („de crano ad cirvisa“) an das Kloster in St. Gallen. Im berühmten St. Galler Klosterplan sind drei Brauereien eingezeichnet. Die Brauerei Schützengarten stellt sich in diese Tradition. Auf einer Brauereibesichtigung lerne ich nicht nur das ostschweizerische Brauhandwerk und seine Sorten kennen. Ich probiere ein Gallus 612, benannt nach der Gründung der Stadt und ein Säntisbier, ein naturtrübes Kellerbier. Alles ausgezeichnet – nicht nur auf der Zunge, sondern auch mit dem European Beer Star. Eine weitere Besonderheit hier ist das hauseigene Bierflaschenmuseum. Es würdigt die Gebinde durch alle Zeiten des Biergenießens.
Stellplatztipp: Auf dem Stadtgebiet gibt es nur einen Stellplatz am Paul-Grüninger-Stadion für zwei Wohnmobile. Frei stehen ist schwierig, also am besten frühzeitig anreisen oder auf einen der Campingplätze in der Nähe ausweichen.
Dornbirn: Bier brauen für alle
Als nächstes besuche ich Österreich. In Dornbirn erlebe ich eine Überraschung. In der Mohren-Brauerei nehme ich an einem Brauseminar bei Braumeister Albert teil. Von der Schrotung bis zur Abfüllung bekommt man hier Einblicke in das traditionelle Brauhandwerk. Die Mohrenbrauerei überrascht mich vor allem durch ihre Sortenvielfalt. Mohren Pale Ale, Eisbock, Pfeffersack, Hopfenplotz oder Blütenweiss verwöhnen den Gaumen mit ungewohnten Geschmacksnoten. Rund um den Bodensee habe ich immer wieder das Gefühl, dass es hier schon ein breiteres Publikum für besondere Biere gibt als anderswo. Die Biertrinker haben sich also mit den Trends mitentwickelt. Wer gerne weitere regionale Produkte einkaufen will, sollte einen Besuch in Dornbirn auf Mittwoch oder Samstag legen, wenn Wochenmarkt ist.
Stellplatztipp: Von Dornbirn fährt man am besten ans Seeufer nach Bregenz. Vom Camping Mexico kann man an der Seepromenade in die Stadt laufen und die Hafenatmosphäre genießen.
Craft-Beer für Zuhause
Wer seine Geschmackserlebnisse mit nach Hause nehmen will, hat mehrere gute Möglichkeiten zum Einkauf internationaler Biersorten:
Die Mohrenbrauerei in Dornbirn unterhält einen Laden mit zahlreichen eigenen Sorten und Bierprodukten.
In Dornbirn und neuerdings auch in Bregenz betreibt Dietmar zwei Filialen seiner Spezialshops Hops&Malt.
Uli und Helmut Heine bieten in Langenargen bei Tettnang in ihrem Craft-Beer-Shop rund 650 Sorten unter dem deutlichen Motto KommproBier. Tipp: jeden ersten Freitag im Monat ist bei KommproBier "Tag der offenen Flasche" mit Gastbieren vom Fass aus besonderen Brauereien
Meine Conclusio:
Ob mit oder ohne Alkohol – Bodensee-Bier ist Genuss und Kultur pur. Brauereien sind nicht nur Produktionsstätten, sondern auch einmalige Erlebnisorte. Die Vielfalt und Komplexität dieses Kult(ur)getränks nährt in mir immer wieder den Verdacht: „Bier ist der bessere Wein“.