Die Ziehmütter in gelben T-Shirts

Flugstunden für Waldrappe am Bodensee

12 November 2018
von Annette Frühauf, Freie Journalistin
www.reisenundberichten.de
Bevor es über die Alpen nach Italien geht, wird noch ein letztes Mal geprobt. Der Waldrapp Experte sitzt bereits im Ultraleichtflugzeug. Er wartet bis die Ziehmütter das Kommando zum Aufbruch geben: Los, Waldi, los!

Bevor es über die Alpen nach Italien geht, wird noch ein letztes Mal geprobt. Die beiden Ziehmütter Corinna Esterer und Anne Schmalstieg sitzen mit den 31 schwarzen Jungvögel auf der Wiese beim Waldrapp Camp in Hödingen. Mit ihren zitronengelben Shirts sind sie schon von weitem zu erkennen. „Die Vögel sind auf gelb positiv geprägt“, erklärt Biologe Johannes Fritz. Der Österreicher leitet das EU geförderte Projekt seit Anfang 2000 - mit dem Ziel bis 2019 drei Brutkolonien zu gründen, eine davon in Überlingen am Bodensee.

„Los, Waldi, los“

Der Waldrapp Experte sitzt bereits im Ultraleichtflugzeug, mit dessen Hilfe die Vögel das Fliegen erlernt haben. Er wartet bis die Ziehmütter das Kommando zum Aufbruch geben: „Los, Waldi, los." Dabei breiten die Ziehmütter die Arme aus. Eine der beiden nimmt in dem zweisitzigen Motorschirm Trike Platz – der gelbe Bezugspunkt für die Vögel. Auch der Schirm ist gelb-blau, der sich beim Start aufbläht. Die Vögel drehen noch zwei Runden über dem Camp und folgen dann dem davonfliegenden Fluggerät.

Leben mit den Vögeln

Seit Anfang April verbringen Anne Schmalstieg und Corinna Esterer über zwölf Stunden am Tag mit den Tieren. „Wir leben mit den Vögeln und bringen ihnen alles bei, was sie zum Überleben brauchen“, sagt Corinna Esterer, die lachend meint, dass sie schon fast denke, wie ein Vogel. „Wenn ein Hund kommt, springen wir auf den Tisch“, fügt sie erklären hinzu. Das bedeutet für ihre Schützlinge, loszufliegen.

Über die Alpen

In den letzten vier Monaten haben die Waldrappe so viel gelernt, dass sie nun Mitte August zugbereit sind und zum Vogelzug aufbrechen können. Die Vogelkolonie aus Hödingen fliegt nach Laguna di Ortobello. Dort warten bereits die Waldrappe, die im letzten Jahr hier im Camp aufgezogen wurden. „Waldrappe kommen erst wieder an ihren Geburtsort zurück, wenn sie geschlechtsreif sind“, erläutert Johannes Fritz. Das ist bei den gänsegroßen Tieren, die seit dem 17. Jahrhundert in der freien Natur Europas ausgestorben sind, mit zwei bis drei Jahren der Fall.

Unter Beobachtung

Da jedes Tier einen GPS Sender trägt können sie quasi nicht verloren gehen. Eskortiert von zwei Ultraleichtflugzeugen sollen sie sicher ins Winterquartier gelangen. Im Oktober müssen sich die Ziehmütter dann von ihren ‚Nachwuchs‘ verabschieden. „Ich bin glücklich, wenn die Tiere in Freiheit überleben. Das ist das Ziel meiner Arbeit“, ist sich Corinna Esterer bewusst. Mit der Animal Tracker App kann übrigens jeder den Positionen der Vögel folgen. Anfang nächsten Jahres wird auf der Projekt Homepage bekannt gegeben, ob es 2019 eine neue Waldrapp Aufzucht im Camp in Hödingen geben wird.

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