Peter Lenks provokante Skulpturen stehen in der westlichen Bodenseeregion unübersehbar auf den attraktivsten Plätzen von Städten und Gemeinden und sind wahre Publikumsmagneten. Selten wurde seine Kunst anfangs wohlwollend aufgenommen. Allein die Nacht-und-Nebel-Aktion um die Aufstellung der "Imperia" in Konstanz ist eine atemberaubende Geschichte, die Lenk im Rahmen von Führungen durch seinen Skulpturengarten höchst unterhaltsam schildert.
Würde die attraktive, offenherzige "Imperia" sich heute im Konstanzer Hafen drehen, wenn Peter Lenk sie nicht nächtens und klammheimlich per Schiff über den See kommend mit vertrauten Helfern aufgestellt hätte? Konservative Politiker und Amtsinhaber hätten noch jahrelang alles unternommen, die hochragende Schönheit mit nacktem Papst und Kaiser in Händen als skandalös abzutun und zu verhindern. Heute ist das Schnee von gestern, die "Imperia" wurde zum ironischen Gesicht der Stadt und diese ohne ihr freiheitliches Wahrzeichen nicht mehr vorstellbar. "Jetzt müssen wir das Ding kaufen, sonst sind wir blamiert", soll ein Kommunalpolitiker geäußert haben, wohl wissend, dass die Statue massenhaft Touristen anlockt und somit zu einem echten Wirtschaftsfaktor geworden ist.
Auch der Bürgermeister in Lenks Wohnort Bodman-Ludwigshafen stellte fest, dass das Relief "Ludwigs Erbe" an der Rathausfassade mit der Sequenz "Global Players" das Knöllchenaufkommen für falsches Parken um 5000 Euro in die Höhe schnellen ließ. Der Grund: Es sind Bundespolitiker wie Edmund Stoiber, Hans Eichel, Guido Westerwelle, Gerhard Schröder im Adamskostüm – und in deren Mitte Bundeskanzlerin Angela Merkel im nicht unattraktiven Eva-Look zu sehen.
Nachdem ebenfalls in einer Nachtaktion die Sparkasse Stockach auf ihrem Gelände die Skulptur "U-Boot U20" aufgestellt hatte, zogen am Himmel der Finanzgruppe dunkle Wolken auf. Wurde doch der in Amt und Würden befindliche Verteidigungsminister Rudolf Scharping in zweifelhafter Pose aufs Korn genommen. Mit dem Rücktritt des Ministers legten sich die Gemüter jedoch wieder, seither ist das Lenk-Kunstwerk neuer Anziehungspunkt des Bankhauses. Touristen richten ihre Kameras auf die von Lenk in Beton gegossenen Gestalten, die auf satirische Weise, meist nackt und unförmig absurde Machenschaften in Politik, Wirtschaft, Klerus und Establishment aufs Korn nehmen – thematisch ähnlich grotesk wie auf Motivwagen im Kölner Karneval. Das findet Anklang. Doch ist es obszön, die Mächtigen der Welt künstlerisch auf ihre nackte Existenz zurückzuwerfen und sie entkleidet im Lichte kritikwürdigen Handelns im öffentlichen Raum zur Schau zu stellen? Die Öffentlichkeit ist durchaus geteilter Meinung. Peter Lenks Standpunkt ist klar: "Ein nackter Mensch ist nicht obszön, obszön ist die Politik. Da kommt kein Künstler mehr mit."
Peter Lenk wurde 1947 in der Dürer-Stadt Nürnberg geboren. Er studierte an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart und wurde Kunstlehrer in Stockach. Weil Lenk sich konsequent weigerte, seinen Schülern Zensuren zu geben, musste er den Lehrerberuf beenden. Mit seiner Frau Bettina, Hund, Katze, Koikarpfen im Teich und einer Schar Hühner lebt und arbeitet Lenk inmitten seines Skulpturengartens am Westzipfel des Überlinger Sees, in Bodman-Ludwigshafen. Der benachbarte Mäzen der Familie, Wilderich Graf von und zu Bodman, hatte dem Künstlerehepaar sein ehemaliges Doktorhaus überlassen. Hier entstanden noch zu Mauerzeiten die Skulpturen "Die schwäbischen Floßfahrer" (Klinikum Emil v. Behring, Zehlendorf) und "Mauerkieker" (Checkpoint Charlie), die in West-Berlin anfänglich kulturpolitisch für reichlich Wirbel sorgten, Bodman-Ludwigshafen aber bekannt machten. In seinem Buch "Berliner Rodeo" beschreibt Peter Lenk diese frühen abenteuerlichen Kunstaktionen im öffentlichen Raum. In der Abgeschiedenheit der Kreativschmiede am Bodensee entstehen die Ideen für satirische Bildhauerarbeiten, mit denen Lenk seit Jahrzehnten aneckt und Skandale auslöst.
Wie geht er damit um? Er bedient sich zum einen des Bonmots von Friedrich Dürrenmatt, dem zufolge das Leben nur als Komödie zu ertragen sei, zum anderen Albert Camus’ Erkenntnis, dass die Fantasie die Menschen darüber hinwegtröste, was sie nicht sein können – und der Humor darüber, was sie tatsächlich sind.
Den Skulpturengarten öffnet Peter Lenk nach Anmeldung für persönliche Führungen (www.peter-lenk.de). Dem humorvollen und sehr belesenen Homo Politicus der 68er-Generation zuzuhören ist ein Genuss und man erfährt, dass jedes noch so kleine Detail des Lenk’schen Bildhauerwerks gut recherchiert und durchdacht ist.
Quelle
Vorabdruck aus dem ADAC Reiseführer plus Bodensee, Autorin Margrit Philipp, erscheint im Januar 2019 bei GRÄFE UND UNZER